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#mutterkörper oder wie ich lernte meinen Bauch zu lieben

© Chloe Trayhurn - gemaltest Bild von nackten Frauen mit Kindern auf dem Arm. Text: Wie ich lernte, meinen Bauch zu lieben. #mutterkörper

Das Frühe Vogerl ruft zu einer Blogparade auf. Es geht darum, wie sich das Körpergefühl seit der Mutterschaft verändert hat. Ausschlaggebend dafür war eine kleine Diskussion über MILFs. Auf die bin ich ja nicht sooo gut zu sprechen. Aber über meinen Postschwangerschaftskörper spreche ich gerne. Denn der ist gleich wie der davor. Aber diesen hier liebe ich...


Mein prä-schwangerer Bauch

Ich trage mich schon lange mit diesem Artikel in der ein oder anderen Form. Mein #mutterkörper ist nämlich ein spezieller. Mit meinem Sohn habe ich auch mich neu geboren, obwohl ich auch nicht viel anders aussehe als vorher. Der Unterschied ist recht einfach:


Ich hab gelernt mich und mein Menschsein zu lieben.


Noch vor 10 Jahren hab ich nur gesehen, worin ich "keine gute Figur" mache, welchen Effekt diverse Sportarten nicht bei mir hatten, welche Nahrungsmittel ich meiden sollte, wie meine Körpermitte im Vergleich zu anderen aussieht. Ich war nie wirklich dick, aber da ich nicht sonderlich groß bin und mein Oberkörper recht kurz, dehnt sich mein Magen auch schon knapp unter den Rippen aus - was zur folge hat, dass ich nach dem Essen immer schwanger aussehe. Immer. Von 0 auf 5 Monate in 20 Happen.  Wie ein Dreifinger-Faultier verdaue ich noch dazu recht langsam. Meine Kugel hält dann schon ein Zeiterl an. Rund um meine Tage blähe ich mich ebenfalls auf wie ein Wal und trage einen recht gespannten Bauch tagelang vor mir her. Das ist so. Das war immer so. Da hilft nix. Muss es auch nicht. 


Natürlich hatte ich damit lange Zeit echt ein Problem. In meinem Ziele-Büchlein klebte ein Bild von Shakiras Bauch. Ich ging 3x die Woche 2 h ins Fitnessstudio über ein Jahr. In einem anderen Jahr ging ich 2 - 3 Mal 50 Längen schwimmen, in einem anderen Jahr trainierte ich für die Hip Hop Meisterschaft und machte vor jeder Trainingseinheit hunderte Bauchmuskel-Übungen. Das hatte zwar einen Einfluss auf mein Gewicht und meine Muckis. Meinem Bauch war das aber scheißegal. Mir nicht. Ich schlief dann manchmal "zufällig" auf der Couch ein, um mich nicht fürs Weggehen fertigmachen zu müssen, ich fing Dramen und Streitereien an, weil ich "nichts zum Anziehen" hatte. Einmal trug ich ein riesiges Red Hot Chili Peppers Shirt von meinem Freund, oder ich versuchte die Blicke auf mein Dekolleté und einen sehr kurzen Rock umzulenken. Ich war wesentlich mehr damit beschäftigt meinen Körperbau zu kompensieren, als auf meine Stärken stolz zu sein. 


Und gleichzeitig wünschte ich mir ein Kind. Jahrelang. Und wenn ich alleine war, betrachtete ich diese kleine Kugel von der Seite im Spiegel und stellte mir vor, wie da jemand drin wächst. Nicht nur das. Ich fand mich eigentlich okay. Aber ich wünschte mir auch, dass ich so sein "dürfte" an jedem Tag. Dass ich nicht das Gefühl hätte, ich müsste meinen Bauch einziehen, weil Frauen ja sowieso alle schlank sein wollen und auf die Linie schauen. Dabei machte ich Sport, hatte Spaß daran und wurde trotzdem immer wieder mal gefragt, ob ich schwanger sei.  Doppelfail.

Dann wurde ich irgendwann schwanger...

Und juhuu! Kein Baucheinziehen mehr. Endlich meine Kugel zeigen und sie lieben. Und ehrlich, diese schwangere  Figur (also nicht die ganz letzte) aber diese, die eh so aussieht wie ich sehr oft, die steht mir, die mag ich.  Und so sehe ich noch immer aus. Also nach dem Essen. Und manchmal auch einfach so. Von meinen Schwangerschaftskilos ist keines zurückgeblieben - da waren nur 12, die mit dem Stillen auch recht schnell purzelten. Aber ich bemühe mich nicht, irgendetwas zu kaschieren.


Egal ob angezogen oder nicht, ich hab keine Lust mich der aktuell als Norm verkauften Ästhetik zu beugen. Ich sehe nicht ein, warum Frauen, die über den Wechsel hinaus sind, oder auch an anderen Stellen fülliger sind als ich, ihren Körper so zeigen "dürfen" und dafür das Label "dick" bekommen und ich nicht. Ich sehe nicht ein, dass ich allein nur "schwanger" ausfasse. Als würde niemand auf der Welt eine ähnliche Figur haben wie ich. Ich sehe nicht ein, warum ich sie verbergen sollte, warum ich sie bearbeiten sollte. Mein Bauch gehört mir.


Also habe ich lustige Begebenheiten, die meist bei Kursen nach dem Mittagessen passieren und ich finde sie wirklich auch tragisch komisch mittlerweile. Denn ich finde: Nicht mir muss es peinlich sein, dass mein Körper menschlich ist, sondern den anderen mit ihrer eingeschränkten Sichtweise auf Körper.

Meine persönlichen Highlights:

  • Ausreichendes Schokoladepaket bei Minikursabschluss mit vielen Glückwünschen. Der Blick als ich offenbarte ich sei nicht schwanger war unbezahlbar :D Ich sollte endlich anfangen, das auszunutzen.
  • "Wie geht's denn dir mit dem langen Sitzen?" Gut, danke der Nachfrage.
  • "Jetzt können Sie's aber wirklich nicht mehr verbergen." Was? Das Mittagessen? :D - Bei der Aufklärung des Missverständnisses wurde mir gesagt, ich hätte so eine schwangere Ausstrahlung. Das sagte mir  jemand auch schon mal vor 10 Jahren. Na bitte, exzessives Schwangerschaftsleuchten :)

Mein post-schwangerer Körper

Als mein Sohn geboren wurde schrieb ich zuerst nur mal Stillzeiten mit, um irgendwie ein System herauszufinden. Ziemlich bald wechselte ich aus Übersichtlichkeitsgründen auf Excel (haha), und in dem Büchlein, das ich begonnen hatte notierte ich mir als ersten Eintrag folgendes:

 

"Heute hab ich mir geschworen, egal wie weit meine Brüste nach unten hängen, egal ob die Haut an meinem Bauch sich noch weiter zusammenzieht oder nicht: Dieser Körper hat ein Wunder vollbracht. Er war dir 9 Monate Behausung, ich habe ihn gehegt und gepflegt in dieser Zeit, war stolz auf meinen Bauch. Hab mich gefreut, dich strampelnd wahrzunehmen und jetzt liegst du neben mir und liebst es, an meiner Brust einzuschlafen. Manchmal willst du einfach nur eine Brustwarze in deinem Gesicht spüren und schon schließt du selig die Augen und kuschelst dich an meinen Bauch oder an meine Schulter. Ich werde auf ewig stolz auf dieses Wunderwerk sein, das mich trägt und fühlen lässt, das mich und dich verbunden hat für so lange und es noch immer tut. Ich werde meinen Körper ehren und ihm danken – jeden Tag – für dich. Und jeder cm Haut der mehr bleibt als vorher war, jede Veränderung und jede Narbe ist es wer und soll mich für immer daran erinnern, dass du wunderbares Wesen in mir gewohnt hast, auch wenn du irgendwann längst ausgezogen bist. Diesen Körper werde ich nie verachten oder bemäkeln. Er ist wunderschön – so wie du."

 

Ich kann mich noch gut erinnern, wie mir die Tränen dabei runter kullerten. Viele Monate später schloss ich Frieden mit meinem Kaiserschnitt und beschloss fortan auch meine Narbe mit Stolz und als ein sichtbares Zeichen der Geburt zu tragen

 

Der Vollständigkeit halber muss ich schon auch zugeben, dass ich aufgrund meiner Mörderhupen während der Stillzeit mal über eine Brustverkleinerung nachdachte. Hätte ich vielleicht nicht sollen. Nach dem Abstillen waren sie schließlich kleiner als vor der Schwangerschaft. Na bravo. Aber was soll`s? In diesen 9 Monaten hatte ich von diese "Hülle" erstmals bewusst mehr wahrgenommen als nur mein Hirn. Ich war Körper die ganze Zeit. So viele total spacige Dinge sind damit passiert. Und dann kommt da auch noch ein kleiner Mensch raus. Irre. Wenn ich auf dieses Wunderwerk nicht stolz sein kann, worauf dann? 

 

Auf dem Sterbebett werde ich sicher nicht bereuen, dass ich zu meiner Lebzeit nicht 2 Kilo weniger hatte. Aber ich würde bereuen, mein Leben nicht genossen zu haben.


Am Wochenende war wieder so ein Tag, den wir genossen haben in vollen Zügen. Wir waren an einem Fluss nackt baden, der recht kinderfreundlich ist. Kein einziges Mal hab ich über meinen Bauch nachgedacht, über Körperbehaarung, Körperhaltungen oder sonst was. Ich habe die anderen nackten Menschen durchaus beobachtet und mich daran gefreut, wie schön und wie unterschiedlich wir alle sind. Und ich konnte nichts daran finden, was an Körpern, die wir sonst in Magazinen nicht zu sehen kriegen, nicht schön sein soll. Brüste, Hüften, Hintern, Bäuche, Arme, Beine sind breiter, schmäler, weicher oder sehniger, kleiner oder größer. Und alle genießen wir die Sonne und das kühle Wasser und rundherum nur Grün. 


Das ist mein #mutterkoerper. Der kann nämlich ganz viel: Tanzen, Yoga, Schwimmen, Klettern, Kinder gebären und ernähren, Sexualität ausleben, lachen, denken, trösten, Energie versprühen, andere im Arm halten und meine Persönlichkeit "verkörpern". 

Das wunderbare Bild zum Artikel hat Chloe Trayhurn gemalt. Ihr findet sie hier und ihre Werke auf etsy.

Wie geht's euch mit eurem #mutterkoerper?