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Nicht alle Kids lieben hetero. Ein Brief an die Eltern.

Fotohintergrund mit zwei Beinen, die aus dem Autofenster gestreckt werden und Regenbogenfarben auf dem Sockenbündchen. © gryffyn_m. Text: Mama, Papa, warum glaubt ihr ich bin hetero? Wie nicht-queere Eltern mit queeren Kids umgehen können.

Auf der Suche nach Gastautor*innen zum Thema Pubertät, führte für mich kein Weg am österreichischen Blog sugarbox vorbei. "Queer" nennt sich dieser. Als Erklärung findet mensch dazu "Lebens- und Liebenswelten, die unterrepräsentiert sind. Und weil die meisten von uns automatisch bei Töchtern an Schwiegersöhne und bei Söhnen an Schwiegertöchter denken, wird es langsam Zeit mal eine andere Perspektive einzunehmen, spätestens wenn sich die Sprösslinge das erste Mal verlieben und eine Schulter zum Ausweinen brauchen. Also Bühne frei für schokomuffin von sugarbox. -
Und, über Sex & Körper schreiben die AutorInnen auf der sugarbox übrigens auch...

An alle Eltern (queerer Kinder) und an alle, die’s noch werden wollen:

Dieser Artikel ist vor allem für die Eltern queerer Kinder aber eigentlich ist er für alle Eltern und für alle Menschen, die vielleicht mal Eltern werden wollen. Die Idee war, einen kleinen Leitfaden für Eltern zu schreiben, deren Kinder sich geoutet haben, oder es vielleicht mal tun werden.

 

Das war die Idee. Aber eigentlich möchte ich bei diesem Artikel schon viel früher beginnen als beim Outing und darum ist er wie gesagt eigentlich für alle Eltern, auch für zukünftige.

Denn wenn ich mir etwas wünschen könnte, dann wäre es,

dass sich auf dieser Welt kein Mensch mehr outen müsste.

Dieses Coming Out… Die meisten von uns haben es durchgemacht, manche besser und manche schlechter, und einige Glückliche mussten es nie tun weil es nicht von ihnen verlangt wurde. Muss man es tun, so ist es in vielen Fällen mit Stress und Angst verbunden.

 

Wie werden meine Eltern bzw. meine restliche Familie reagieren?

Wird danach etwas anders sein als davor?

Werde ich so, wie ich bin, akzeptiert werden?

 

Das Coming Out ist eine Erklärung, eine Klarstellung, ein “Ich muss euch etwas sagen”, das heterosexuelle Kinder nicht abgeben müssen, denn dass sie heterosexuell sind, davon gehen sowieso alle aus. Queere Kinder hingegen kommen meistens irgendwann drauf, dass sie nicht ganz so sind, wie ihre Familie oder ihr Umfeld es sich erwartet hätte. Und müssen sich dann mit der Frage auseinander setzen, was die Konsequenzen dieses Anders-seins sein werden.

 

Darum ist mein erster und wichtigster Rat an alle Eltern und an alle Menschen, die mal Eltern werden möchten:

Geht nicht davon aus, dass eure Kinder heterosexuell sind.

Vielleicht sind sie es - was natürlich auch großartig ist. In diesem Fall habt ihr die Möglichkeit, euren Kindern Respekt und Achtung vor anderen Lebensweisen zu lehren und sie dadurch zu Verbündeten von queeren Mitschüler*innen und Freund*innen zu machen, für die es keine Rolle spielt, wen jemand liebt.


Und sollte euer Kind tatsächlich queer sein, 

gebt ihr/ihm dadurch die Freiheit, von Anfang an auf sein Inneres zu hören und sich genauso zu entwickeln, wie es sich gut und richtig anfühlt.

 

Es wird draußen in der Welt noch auf genug Widerstände stoßen, da ist bedingungsloser Rückhalt in der Familie unglaublich wichtig.

Wenn ich an meine eigene Kindheit und Jugendzeit zurückdenke, stelle ich mir vor, wie viel einfacher alles gewesen wäre, wenn ich schon in jungen Jahren Ideen und Worte für Gefühle gehabt hätte, die ich damals noch gar nicht einordnen konnte, weil ich nicht wusste, dass diese Gefühle etwas bedeuten. Ich war verliebt ohne zu merken, dass das Verliebtheit ist, weil ich Verliebtheit nur mit heterosexuellen Konstellationen verbinden konnte. Glücklicherweise ist Homosexualität für Kinder heute durch’s Fernsehen schon präsenter, aber dass Heterosexualität die Norm ist, von der einfach mal ausgegangen wird, ist wohl nach wie vor in vielen Familien so.

 

Darum: Geht von dieser Norm nicht aus. Euer Kind wird genauso werden, wie es richtig ist, denn euer Kind weiß am besten, wer es ist und was es braucht.

  • Macht ihm klar, dass glücklich zu werden das wichtigste ist, egal mit wem.
  • Vertraut darauf, dass euer Kind selbst in der Lage ist, nach und nach herauszufinden, wie es leben und lieben möchte. Sich nicht sicher zu sein, etwas ausprobieren zu wollen oder etwas felsenfest zu wissen - alles davon ist in Ordnung.
  • Gebt eurem Kind die Freiheit, zu sein wer es ist und zu lieben wen es will.

Und das am besten von Anfang an, damit nicht irgendwann dieser “Ich muss euch etwas sagen” Moment kommen muss sondern euer Kind einfach irgendwann etwas von seinem neuen Freund oder seiner neuen Freundin erzählt (oder mal so und mal so, ich will natürlich hier auf die bisexuellen Kinder nicht vergessen!).

 

Und wenn euer Kind dann mal eine Freundin oder einen Freund hat, gibt es fast nichts Schöneres und Bestärkenderes, als wenn die Eltern selbstverständlich an diese Person Grüße ausrichten, sie einladen oder immer wieder mal fragen, wie’s dem Freund oder der Freundin geht. All diese kleinen Bemerkungen, die klar machen: “Wir sehen wer du bist und dein Partner/deine Partnerin ist uns wichtig.” Und wenn der Freund oder die Freundin dann vielleicht irgendwann wieder vorbei sind, das Kind daran zu erinnern, dass andere Menschen auch schöne Söhne und Töchter haben (je nachdem, was eben passt).

 

Meine Oma hat das mal zu mir gesagt und es hat sich in dem Moment wie eine warme Decke angefühlt und war irgendwie noch schöner, weil es von meiner Oma kam. Und als mich meine andere Oma mal gefragt hat, wie man als lesbische Frau denn eigentlich andere Frauen kennenlernt und woher man weiß, ob jemand lesbisch oder bi ist oder nicht, da war ich kurz ein wenig gerührt, weil ich ihr Interesse an meinem Leben und ihre Neugierde über etwas, das für sie selbst eher fremd ist, so schön fand.

 

Dabei sollte es eigentlich nicht rührend oder besonders sein, sondern ganz normal und selbstverständlich. Noch ist es das oft nicht aber ihr habt die Möglichkeit, dazu beizutragen, dass es immer normaler und selbstverständlicher wird. Euer Kind weiß, wer es ist, oder es wird es mit Sicherheit herausfinden. Alles was es dazu von euch braucht, ist die Gewissheit, dass ihr hinter ihm steht und es genau so liebt und akzeptiert, wie es ist. Und das ist eigentlich auch schon alles.

Danke schokomuffin für deine offenen Worte!

Und falls ein paar Fragen offen sind:

  • Die "göttinnenspeise" hat sich auf sugarbox Gedanken darüber gemacht, warum sie homosexuell ist, und welche Erklärungsansätze es dazu gibt
  • Der "zaunfink" schreibt auf seinem Blog ebenfalls übers queere Leben und hat mal ein "schwules Bullshit-Bingo" gebastelt und sehr viele Fettnäpfchen darin zusammengefasst ;-)

Welche Fragen geistern euch noch im Kopf rum?